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Das Virus schwingt den Taktstock

Andreas Pflüger, 19.07.2020 - Esslinger Zeitung

Wernau: Nach der Corona-Zwangspause hat das große Blasorchester des Wernauer Musikvereins erstmals wieder komplett geprobt. Die Bedingungen sind ebenso unwirklich wie die Zukunft ungewiss.

Kein warmer Händedruck, keine innige Umarmung, kein herzhaftes Schulterklopfen: Die Begrüßungen fallen distanziert aus – und damit genau so, wie es in diesen Zeiten wohl vernünftig ist und verlangt wird. Vier Monate lang hat sich das große Blasorchester des Musikvereins, die Stadtkapelle Wernau, virusbedingt nicht mehr in voller Besetzung treffen können. Dieser Tage ist das nun erstmals wieder möglich gewesen, allerdings nicht im angestammten Proberaum, sondern mit rund 60 Mitgliedern im großen Saal der Stadthalle.

Alles ist ungewohnt. Vieles ist anders. Corona hat den Taktstock übernommen. Just am vergangenen Wochenende hätte das große Maultaschenfest stattfinden sollen: eine wichtige Präsentationsplattform und zugleich die Haupteinnahmequelle des Musikvereins. Solche Ausfälle und Absagen begleiten die Wernauer wie so viele andere Einrichtungen und Organisationen seit März. „Wir standen gerade unter Volldampf um unser Frühjahrskonzert vorzubereiten“, erinnert sich Karsten Kabitschke, der Erste Vorsitzende. „Und dann ging zwei bis drei Wochen erst mal gar nix“, fügt er hinzu.

Die Stadt, der Liederkranz und die Narren helfen aus

Es folgte eine lange Zeit des Improvisierens. „Im Ausbildungsbereich haben wir die Mitglieder online geschult, so gut das eben ging. Präsenzunterricht gab es bestenfalls im Eins-zu-Eins-Modus und erst vor kurzem konnten die Ensembles dann wenigstens zu Fünft proben“, berichtet Kabitschke. Sein Stellvertreter Benjamin Frey ergänzt: „Hier und heute ist unser erster Termin in voller Besetzung, weil in Wernau nur die Stadthalle so viel Raum bietet, um die notwendigen zehn Quadratmeter pro Musiker zu gewährleisten.“

In jedem Fall sei der Verein froh, dass die Stadt es möglich gemacht habe, dieses Ausweichquartier wenigstens einmal kostenlos nutzen zu dürfen, sagt Frey. „Zumal uns völlig klar ist, dass diese offenen Zeitfenster immer kleiner werden, weil ja alle anderen Veranstaltungen auch mehr Platz benötigen.“ Umso dankbarer sind die Musikanten deshalb, dass sich andere Vereine solidarisch zeigen: „Der Liederkranz und die Wernauer Narren helfen uns mit ihren Räumen aus“, freut sich Kabitschke.

Paul Jacot: „Ich denke, dass der Musik und der Kultur die Lobby fehlt

Die Sorgen bei den Verantwortlichen sind dennoch groß. Denn von der „normalen“ Vereinsarbeit mal ganz abgesehen, droht ein viel gelobtes Modell zu zerbrechen. An allen Grundschulen in Wernau hat der Musikverein, zusammen mit seinem Dirigenten Paul Jacot, der zugleich als Stadtmusikdirektor fungiert, Bläserklassen eingerichtet. „Das hat super funktioniert und würde auch weiterhin funktionieren. Aber noch weiß niemand, ob nach den Sommerferien außerschulische Angebote wieder gemacht werden dürfen“, sagt Jacot. Nach dem aktuellen Konzept des Kultusministeriums bleiben derartige Veranstaltungen verboten, bedauert Karsten Kabitschke, womit dem Verein ein wesentliches Standbein wegbreche.

Paul Jacot spricht von einem „Teufelskreis“, der ihn als Honorarkraft auch ganz direkt und existenziell betreffe. „Der Verein muss nicht zuletzt deshalb finanziell tragfähig sein, um investieren zu können, etwa in Instrumente gerade für diese Jugendausbildung.“ Das fragile Konstrukt bestehe aus zahlreichen Bausteinen, von denen keiner wegbrechen dürfe. Doch genau das ist die Krux, denn es bröckelt gewaltig: Die Konzerteinnahmen fehlen ebenso wie die Erlöse von Festen und was an Soforthilfen kam, deckt den Abmangel bei weitem nicht. „Ich denke, dass der Musik und der Kultur, anders als dem Sport, die Lobby fehlt“, mutmaßt Jacot.

Im nächsten Jahr soll das 100-jährige Bestehen gefeiert werden

Wie lange ein derartiger Zustand auszuhalten ist? – „Nicht lange“, erklären Kabitschke und Frey unisono. Denn natürlich sei es gerade bei Kindern und Jugendlichen schwierig, die Begeisterung für die Musik unter diesen Umständen am Leben zu halten. „Gerade der Nachwuchs ist aber die Perspektive für unseren Verein“, betont der Erste Vorsitzende. Der Stadtmusikdirektor verweist zudem auf die pädagogisch-gesellschaftliche Komponente: „Gerade den Kindern in den Schulen geht viel verloren. Denn wenn der Erstkontakt mit den Instrumenten wegfällt, geht es danach auch nicht weiter.“ In der Folge leide dann das gesamte Kulturleben, das seinen Teil dazu beitrage, die Gesellschaft in Balance zu halten, fährt Jacot fort.

Doch obwohl eine konkrete Perspektive bis jetzt noch fehlt, gibt die Stadtkapelle nicht auf. „Wenn wir den Betrieb in den Schulen und unsere eigenen Proben wieder aufnehmen dürfen, dann läuft der Motor wieder an“, ist Karsten Kabitschke überzeugt. Benjamin Frey ist der gleichen Ansicht und richtet den Blick schon nach vorn: „Im nächsten Jahr feiern wir unser 100-jähriges Bestehen. Da sind wir voll am Planen, mit Festakt, Frühjahrskonzert und einem dreitägigen Jubiläumsfest Mitte Juli.“ Die Ungewissheit bleibe, aber nichts zu tun, sei keine Alternative. Die Mitglieder des großen Blasorchesters scheinen das ähnlich zu sehen. Sie musizieren, als wollten sie das Virus kurzerhand wegpusten

Anstehende Termine

10.02. Fasnetsumzug

16.03. Frühjahrskonzert

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